Wir nehmen Abschied von dem legendären Architekten und Designer Alessandro Mendini


Eine Ära geht zu Ende

Von Gretta Louw

Er schuf aufregende und üppige Arbeiten. Der legendäre italienische Architekt, Designer, Herausgeber, Kritiker und Lehrer Alessandro Mendini verstarb Anfang dieser Woche im Alter von 87 Jahren. Sein Werk, das mehrere Designbewegungen der Nachkriegszeit und darüber hinaus beeinflusste, ist geprägt von Farbenfreude, provokativer Ironie und einer einzigartigen Dynamik, die von einem radikalen Ansatz zeugt.

Mendini mit einem seiner aktuellsten Designs, der Alex Chaiselongue für Ecopixel Foto © Ecopixel
Die Designgeschichte und unsere Auffasung von Design werden für immer durch seinen Beitrag zum Radical Design und seiner Arbeit im Studio Alchimia geprägt sein, als auch von seiner Neugestaltung der Marke Alessi durch anthropomorphes Küchengeschirr und das gemeinsam mit seinem Bruder Francesco geführte Büro Atelier Mendini.  

Mendini setzte sich dafür ein, die Grenzen zwischen Kunst und Design aufzuheben. Folglich erklärte er dem Funktionalismus den Krieg. Er rief dazu mit einer Aktion auf, im Rahmen dessen er zwei klassische Stühle verbrannte. Seinen Lassú Stuhl produzierte er aus Bronzeguss und stellte ihn auf eine Bronze-Pyramide, sodass dieser zum Sitzen nicht mehr geeignet war. Sein Proust Sessel - 1978 entworfen und produziert von Cappellini - stellt ein weiteres seiner Meisterwerke dar und ist aufgrund des Kontrastes von viktorianischer Formgebung und dem Ikonoklasmus des 20. Jahrhunderts unvergesslich. Der Bezug des Modells ist von pointillistischen Malern wie Georges Seurat und Paul Signac inspiriert sowie von Mendinis Reisen nach Frankreich, mit der Absicht, Prousts Beschreibungen von Ort und Zeit zu recherchieren. Der Proust Sessel ist eine Synthese aus Literaturtheorie, den Readymades von Duchamp und malerischem Ausdruck und dient wohl als bestes Beispiel für den unglaublich scharfsinnigen und völlig unerwarteten Designansatz Mendinis.

2010 kuratierte Mendini Quali Cose Siamo - dieser Titel lässt sich als Die Dinge, die wir sind übersetzen - im Designmuseum der Triennale. Die allseits hochgelobte Ausstellung setzte sich aus einer Sammlung von ungefähr 800 Objekten zusammen, die nach Mendini auszudrücken vermochten, was die italienische Identität ausmacht. Er erschuf damit ein poetisches Gesamtkunstwerk, das ein Nationalbewusstsein beschrieb. Viele Besucher*innen erklärten, dass es zudem einen wunderschönen Einblick in seine eigenen Gedanken gewährte.

Seine umfangreiche Arbeitsweise umfasst sowohl die Konzeption von Gebäuden weltweit, darunter wohl am bekanntesten ist das extravagante Groninger Museum, als auch Entwürfe kleinerer Stücke wie Lampen, Vasen und Korkenzieher. Durch seine Vorstellungskraft gelang es ihm, gesamte Lebensräume zu kreieren. Seine Persönlichkeit war von Widersprüchen geprägt: So war er einerseits bekannt für seine zurückhaltende aber entschiedene Designkritik, -theorie und -schriften, und andererseits überraschte er mit mutigen, nahezu ausgelassenen Entwürfen. Er selbst sagte einmal: „Ich gehe mit Objekten wie mit Menschen um, ich bringe sie zum Lachen.” Auch wenn er weiterhin einen großen Einfluss auf zeitgenössische Designer*innen ausübt, werden wir seinen Witz und seinen Humor vermissen. Wir verabschieden uns und sagen danke, Alessandro, dass du uns immer ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hast!

 

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    • Gretta Louw

      Gretta Louw

      Die multidisziplinäre australische Künstlerin Gretta wurde in Südafrika geboren und lebt zurzeit in Deutschland. Sie ist Sprachenthusiastin und Weltenbummlerin, hat einen Abschluss in Psychologie und eine große Vorliebe für die Avantgarde.

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