Wie das Londoner Godrich Interiors einzigartige Räume erschafft


Die Mischung macht’s

Godrich Interiors hat eine beeindruckende Vielfalt an Stilen aufzuweisen. Ein kurzer Blick in das Portfolio der West-Londoner Designfirma reicht, um zu verstehen, dass sie ihren Ruf verdient haben, dynamische und wunderbar vielschichtige Räume zu kreieren, die individuell und im Einklang mit dem spezifischen architektonischen Umfeld und den einzigartigen Lebensweisen ihrer privaten und geschäftlichen Kunden aus der ganzen Welt konzipiert werden. Zusätzlich zu diesen eben erwähnten Merkmalen, verbindet all ihre Projekte außerdem eine faszinierende Mischung aus Eleganz und Persönlichkeit – etwas, das keinesfalls einfach zu erreichen ist! – und Godrichs Visionen, Fachwissen und Leidenschaft zu verdanken ist. Wir trafen die gebürtige Neuseeländerin und stellvertretende Direktorin von Godrich, Megan Oliver, um einen kleinen Einblick hinter die Kulissen zu bekommen und mehr über sie und ihre erfolgreiche Firma zu erfahren.

Wava Carpenter: Wie würden Sie Godrichs Kunden beschreiben? Gibt es irgendetwas, dass alle gemeinsam haben?

Megan Oliver: Ich glaube, unsere Arbeit spricht eine bestimmte Art von Kunden an. Sie sind allgemein sehr kreativ und möchten mit einem Unternehmen zusammenarbeiten, das sie wie Individuen behandelt und etwas kreiert, das sie und ihr Leben widerspiegelt.

WC: Welche Projekte waren für Sie persönlich besonders befriedigend und/oder lehrreich? 

MO: Der Palazzo, den wir in Venedig bespielt haben, war ein Höhepunkt meiner Karriere und ich glaube, das wird schwer zu übertreffen sein! Ich erinnere mich noch genau, wie ich den Raum das erste Mal sah. Es war unglaublich und ich war komplett überwältigt. Die Ästhetik war sehr fremd für mich und ich musste viel recherchieren, um sicherzustellen, dass ich wirklich verstand, worin wir dort arbeiteten. Die Möglichkeit zu bekommen mit regionalen traditionellen Handwerkern zu arbeiten, um maßgefertigte Beleuchtungen und Tischlerarbeiten für die Einrichtung zu kreieren, war eine wirkliche Lernerfahrung und eine absolute Freude. Seguso , welche viel von der Beleuchtung des Apartments produzierten, machen Murano  Glas in der 27. Generation. Diese Tatsache finde ich nach wie vor unglaublich.

Ein weiterer Favorit ist mein allererstes Projekt, das ich bei Godrich ausführte. Es war ein Familienhaus für einen kreativen Kunden in London. Die Arbeiten umfassten einen Anbau, einen Keller, ein riesiges Baumhaus und ein Aufnahmestudio im Garten. Es war also wirklich allumfassend! Wir entwarfen später noch zwei weitere Immobilien mit ihnen und sie haben mir allesamt viel Spaß gemacht.

WC: Wie würden Sie Ihren eigenen Designansatz beschreiben?

MO: Seit dem Beginn meiner Karriere habe ich immer die Architektur, in der wir arbeiten, respektiert. Das war schon immer der Ausgangspunkt für meinen Designprozess und generell etwas, wovon ich fast besessen bin. Das ist die Voraussetzung, um etwas authentisches zu kreieren.

WC: Wenn man sich allgemein das Portfolio von Godrich Interiors anschaut, dann scheint es so, als ob Sie an jedem Projekt sehr individuell herangehen. Wie sieht dieser Prozess aus? Wie erschaffen Sie personalisierte Räume für Ihre Kunden?

MO: Unsere Projekte werden von den Kunden gesteuert, also gehen wir nicht mit einer vorgefertigten Idee davon, wie eine Einrichtung aussehen soll, an einen Auftrag heran. Ich glaube der Designprozess wird in gleichen Teilen von der Architektur, dem Kunden und unserer Rückmeldung als Designteam inspiriert. Auf diese Weise wird jedes Projekt einzigartig, zeitlos und authentisch. Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen und der Prozess ergibt sich sehr natürlich. Es ist wichtig für uns, dass der Kunde Spaß an dem Prozess hat. Jeder, der mal an einem großen Einrichtungsprojekt beteiligt war, weiß, dass es sehr stressig werden kann. Ich denke, Teil unserer Arbeit ist es, den Stress zu nehmen (so weit wie dies möglich ist!) und es dem Kunden dadurch zu ermöglichen, diese wirklich aufregende Zeit zu genießen.

WC: Können Sie etwas darüber erzählen, wie Sie die Stücke, die Sie verwenden, auswählen? Finden Sie erst die Stücke und suchen dann nach einem Zuhause für sie? Oder machen Sie sich auf die Suche nach Stücken für ein bestimmtes Projekt oder einen spezifischen Kunden?

MOIch glaube, als Designer hält man immer Ausschau nach interessanten Stücken und man katalogisiert sie im Kopf für einen Zeitpunkt, an dem sie nützlich sein könnten – das geschieht oft ohne, dass man es wirklich merkt. Als Team haben wir ein riesiges Wissen über Bezugsquellen und wenn man nach speziellen Gegenständen sucht, dann fragt man zuerst im Team nach. Wir haben ein gutes Verhältnis zu vielen Händlern, die bereit sind, auf der ganzen Welt und natürlich im Internet nach spezifischen Anfragen zu suchen. Es kommt regelmäßig vor, dass man die Straßen abklappert oder weit reist.

Eine Mischung aus Epochen und Stilen ist notwendig, um ein Zuhause zu kreieren, das aussieht als wäre es mit der Zeit gewachsen und das gegebenenfalls auch noch weiter wachsen kann. Candy Cubes von Sabine Marcelis & Jeroen Verrecht Foto © Studio Sabine Marcelis
WC:
 Können Sie etwas mehr darüber erzählen, was Godrichs Herangehensweise ist, wenn es darum geht, Designstücke aus unterschiedlichen Epochen und mit unterschiedlichen Stilen zu mischen? Was ist zum Beispiel Ihr gedanklicher Prozess, wenn Sie Antiquitäten mit Mid-Century Modern, Contemporary Stücken und Kunst kombinieren?

MO: Das ist schwer zu beantworten, weil dieser Prozess sich sehr natürlich ergibt. Ich stehe nicht da und denke darüber nach, wie ich absichtlich unterschiedliche Ästhetiken vermischen kann. Es geht vielmehr darum, zu versuchen eine Balance in der Einrichtung herzustellen. Unterschiedliche Epochen haben ein jeweils unterschiedliches optisches Gewicht, deswegen ist es häufig notwendig Stücke zu kombinieren, um ein optisches Gleichgewicht zu erreichen. Außerdem glaube ich, dass eine Mischung aus Epochen und Stilen notwendig ist, um ein Zuhause zu kreieren, das aussieht als wäre es mit der Zeit gewachsen und das gegebenenfalls auch noch weiter wachsen kann.

WC: Wie stehen Sie zu dem Begriff ‚eklektisch’? Finden Sie, er fängt Ihre Ästhetik ein? Welche Begriffe würden Sie verwenden, um Ihre Ästhetik zu beschreiben?

MO: Der Begriff eklektisch wird eindeutig zu häufig gebraucht. Es scheint, als ob wir uns in einer Zeit befinden, in der er häufig verwendet wird, um einen Haufen von zusammengewürfeltem altem Kram zu beschreiben. Dieser Trend wird irgendwann vorbei sein und dann kann das Wort eklektisch wieder erobert werden, um eine ausgewählte Sammlung an Stilen zu beschreiben. Meine Ästhetik würde ich mit Worten wie durchdacht, entspannt und fröhlich beschreiben.

WC: Welche historische Zeit und welcher historischer Ort drückt Ihre Designästhetik Ihrer Meinung nach am besten aus?

 MO: Es gibt so vieles, das mich inspiriert, weswegen es schwierig ist, mich auf nur eine Ästhetik zu begrenzen. Wenn man mich aber wirklich zwingt, dann wurde ich moderne Architektur aus den 30ern bis 60ern sagen. Das Auge fürs Detail – im Bezug darauf, wie der Raum genutzt wird und der Fokus auf der Materialität – beeindruckt mich immer wieder. Die Einrichtungen sind scheinbar das, was viele Leute für minimalistisch halten, aber sie sind in Wirklichkeit weit davon entfernt. Sie sind üppig, durchdacht und die Details und die Materialauswahl sind unfehlbar. Alles hat einen Zweck. Alles ist schön. Ich habe kürzlich The Homewood in Esher besucht. Das Haus ist zurzeit mein Traum. Die Villa Müller von Adolf Loos ist ein weiteres Haus von dem man mich fast weg zerren musste. So unglaublich schön!

WC: Gibt es in Ihrem Traumprojekt irgendwelche bestimmten Designstücke oder dekorativen Elemente, die Sie auf jeden Fall verwenden würden? Gibt es irgendwelche Designstücke, die immer funktionieren oder ein Zuhause immer wohnlicher und schöner machen?

MO: Während jedes Projekt anders ist und jeder Kunde andere Anforderungen hat, macht gute Beleuchtung ein Zuhause immer wohnlicher und schöner. Licht ist eine Notwendigkeit, aber es sollte auch etwas Besonderes und Flexibles sein, um sicher zu gehen, dass man aus jedem Raum das meiste herausholt. Zur Zeit würde mein Traumprojekt ein Cupboard Ono von Love Arbén für Lammhults (1992), einen Candy Cube von Sabine Marcelis (2014-laufend) und einen Cassina Sessel von Mario Bellini aus den 1960ern enthalten. Diese Liste verändert sich ständig. Aber heute sind das meine Lieblinge.

  • Übersetzung von

    • Annika Hüttmann

      Annika Hüttmann

      Annika ist umgeben von skandinavischem Design zwischen Norddeutschland und Südschweden aufgewachsen. Für ihr Literaturstudium zog sie nach Berlin und entdeckte dort ihre Leidenschaft für deutsche Vasen aus den 1950ern-70ern, von denen sie inzwischen mehr als 70 Stück besitzt.

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