12 ikonische Designer des neuen Millenniums, die jeder kennen sollte (und warum)
Poeten des 21. Jahrhunderts
In letzter Zeit haben wir viel über das Konzept von “neuen Klassikern” nachgedacht. Insbesondere über die Frage, an was man sich aus der gegenwärtigen Designepoche in 20, 50 oder sogar 100 Jahren erinnern wird. Für uns haben die großen Werke, die das 21. Jahrhundert bisher hervorgebracht hat, eine wichtige Gemeinsamkeit: Sie werden von einer Leidenschaft für das Erzählen angetrieben. Die Designs, die uns am meisten bewegen, erzählen immer eine Geschichte und verändern im besten Fall sogar unsere Wahrnehmung und unser Verhalten gegenüber unserer Umgebung.
Es ist recht offensichtlich, wie wie es dazu gekommen ist. Wenn man auf die 1970er und 80er zurückblickt —auf den Höhepunkt der Postmoderne— dann sieht man, dass die radikalen Arbeiten der einflussreichsten Designer (zu denen natürlich die Memphis Gruppe gehörte) einen Zweck erfüllen, der über reine Funktionalität hinausgeht. Gleichzeitig brachen sie mit etablierten Vorstellungen von Stil. In den 90ern heizten niederländische Designer —wie Marcel Wanders, Tord Boontje und Droog— (obwohl sie nur einen kleinen geografischen Bereich repräsentierten) den internationalen Designdiskurs weiter an, indem sie den Fokus auf Poesie und Fortschritt legten. So sorgten sie dafür, dass narrative Konzepte im neuen Jahrtausend förmlich explodierten.
Und hier sind wir nun. Heutzutage regiert das poetische Design. Egal, ob sie sich auf handwerkliches Können oder technischen Fortschritt konzentrieren, bei den talentiertesten Designern dreht sich heute alles um das Geschichtenerzählen. In der Hoffnung, dass diese Sie ebenso sehr erfreuen wie uns, haben wir 12 Designs aus dem 21. Jahrhundert zusammengestellt, die unserer Meinung nach zu den bewegendsten, anregendsten und gefühlvollsten Objekten unserer Zeit zählen.
1) Smoke von Maarten Baas (2002)
Smoke, das Debut des niederländischen Designers Maarten Baas' —2002 als Abschlussarbeit an der Design Academy Eindhoven entwickelt und über die folgenden Jahre zunächst mit Moooi und anschließend mit Moss überarbeitet— setzte die Designwelt wortwörtlich in Brand. Eine Kollektion bestehend aus Kultklassiker und Vintagestücken —von Rietvelds Zig Zag Chair über Sottsass’s' Carlton Cabinet bis hin zu einem Vintage Hochstuhl— wird hier mit einem Flammenwerfer verkohlt und anschließend mit Epoxidharz konserviert.
2) Panda Banquete Chair von Fernando & Humberto Campana (2005)
Seit den 1990ern haben sich die Campana brothers Brüder mit ihren einfallsreichen Neu- und Wiederverwendungen von gewöhnlichen Dingen wie Seil, Aluminium, Draht, Plastikrohren, Stoffresten und Stofftieren weltweit einen Namen gemacht. Der Panda Banquete Chair ist ein perfektes Beispiel für ihren charakteristischen Stil: Ein nichtssagendes Stofftier wird hier für einen poetischen und lebhaften Stuhl mit einer unverkennbar brasilianischen Ausstrahlung umfunktioniert. Die Stoff-Pandas werden per Hand an ein Tuch genäht, das über eine Edelstahlkonstruktion gespannt ist.
3) Bathboat von Wieki Somers Studio (2005)
Inspiriert von Bräuchen und Ritualen hat sich das Studio Wieki Somers mit einem Konzept des Magischen Realismus eine Nische verschafft und macht aus alltäglichen Objekten kleine Wunder. Die Gründer Wieki Somers und Dylan van den Berg sind Verfechter der Fantasie; in ihren fachkundigen Händen wird beispielsweise aus einer Garderobe ein Riesenrad (Merry-go-round Coat Rack, 2009) und eine Badewanne verwandelt sich in ein skurriles Fischerboot, das in See stechen will. Laut den in Rotterdam ansässigen Designern kam ihnen diese Idee, als sie eines Morgens einen Fischer beobachteten, der in seinem Boot auf einem See trieb. „Friedlich, zeitlos, irgendwie mysteriös und gleichzeitig unglaublich banal.“
Das Bathboat aus lackierter Eiche und roter Zeder ist Teil der Dauerausstellung des Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam. Es ist bei der Galerie Kreo in Paris erhältlich.
4) Honeycomb Vase von Tomáš Gabzdil Libertíny (2005)
Das Honeycomb Projekt aus Bienenwachs entstand 2005, noch während Libertínys Studium. Der in der Slowakei geborene und in Rotterdam ansässige Designer „lud neue Bienenvölker ein“, an seinem Projekt teilzunehmen, nachdem er vier Monate lang Imker beobachtet hatte. Für jedes seiner Designs formt ein Bienenvolk seinen Stock um ein vorgefertigtes vasenförmiges Gerüst (der Designer bezeichnet diesen Prozess als „langsamen Prototypen“, was im direkten Gegensatz zu den schnellen Produktionstechnologien der heutigen Zeit steht). Die Resultate sind je nach Jahreszeit, Geografie, Größe des Bienenvolkes und Wetter unterschiedlich. 2008 wurde eine der Vasen vom MoMA erworben, nachdem sie in der erfolgreichen Ausstellung Design and the Elastic Mind gezeigt worden war. Das Projekt wurde seitdem auf andere Konzepte “made by bees” ausgeweitet. Libertíny untersucht in seinen Arbeiten weiterhin das Verhältnis von Natur, Wissenschaft und Technologie.
5) Bone Furniture von Joris Laarman (2006)
Auch Joris Laarman’s digital produzierte Bone Furniture ist von der Natur inspiriert —gleichzeitig zeigt sie die poetischen Möglichkeiten neuer Technologien. Das Debut der Serie, der Bone Chair von 2006, basiert auf einem Algorithmus, der die Funktionsweisen und Komplexität menschlicher Knochen nachbildet. Der Stuhl wurde in einem Stück in einer speziellen Keramikform aus dem 3D-Drucker gegossen. (Später folgten andere Bone-Stücke aus mehreren Materialien.) Laarman sagt über sein Projekt: “Seit die Industrialisierung das Mainstream-Design übernommen hat, wollen wir Objekte schaffen, die von der Natur inspiriert sind... Unser digitales Zeitalter macht es nicht nur möglich, sich stilistisch auf die Natur zu beziehen, sondern man kann ihre Prinzipien auch tatsächlich anwenden und neue Formen in einem eigenen Evolutionsprozess erschaffen.
Laarman arbeitet nach wie vor an der Schnittstelle zwischen Technologie und Design; bei seinem nächsten geplanten Projekt MX3D soll eine Stahlbrücke über einen Kanal in Amsterdam in 3D gedruckt werden.
6) Cherry Blossom Canopy von David Wiseman (2006)
Für die 2006er Ausgabe der National Design Triennial im Cooper Hewitt bedeckte David Wiseman die Decke des Carnegie Mansion mit einem hinreißenden Netz aus gipsgeformten Zweigen und Porzellanblüten. Die Installation war ein Meilenstein für den Designer aus L.A., da so seine Arbeiten —in denen er sich Natur und dekorativer Kunst widmet— einem großen Publikum zugänglich wurden.
Seitdem arbeitete er für eine Vielzahl von privaten und öffentlichen Auftraggebern an von der Natur inspirierten, ortsspezifischen Installationen. So übernahm Wiseman beispielsweise die New Yorker Galerie R & Company für die zauberhafte Einzelausstellung Wilderness and Ornament.
7) Pewter Stool von Max Lamb (2007)
Max Lamb’ss Pewter Stool ist wunderschön, aber erst durch seinen poetischen Entstehungshintergrund wird er wirklich poetisch. Der innovative britische Designer fertigte seinen Hocker an einem Strand in Cornwall (ein Lieblingsort aus seiner Kindheit): Lambs goss geschmolzenes Zinn in eine Form mit geometrischem Muster, die er zuvor per Hand direkt in den Sand gezeichnet hatte. Nachdem das Zinn abgekühlt war, entfernte Lamb den Sand und sein Hocker war geboren. Da jede Form nur einmal benutzt werden kann —und aufgrund der unbeständigen Witterungsbedingungen des Sandstrandes— ist jeder Hocker zwangsläufig ein Unikat. (Hier kann man ein Video von dem Herstellungsprozess sehen.)
8) Sketch Furniture von Front Design (2007)
Das schwedische Designstudio Front stellte sich selbst die Frage: Was wäre, wenn wir ein physisches Objekt direkt aus einer einfachen Zeichnung herstellen könnten? Das Design-Quartett —Anna Lindgren, Katja Sävström, Sofia Lagerkvist und Charlotte von der Lancken— hat einen Weg gefunden, genau das zu tun. Front entwickelte für Sketch Furniture ein Verfahren, bei dem Stiftzeichnungen in der Luft durch Bewegungserfassung aufgenommen und in digitale 3D-Dateien umgewandelt werden. Die Zeichnungen werden in harten Kunststoff umgesetzt und anschließend weiß lackiert. So schnell wird aus einer Kritzelei Realität.
9) 100 Chairs von Martino Gamper (2007)
Für das Projekt, mit dem er seinen großen Durchbruch schaffte, sammelte der in Italien geborene und in London lebende Designer Martino Gamper zwei Jahre lang Stühle auf den Straßen Londons und in den Wohnungen von Freunden. Anschließend baute er sie —immer ein Stuhl pro Tag— innerhalb von 100 Tagen auseinander, um sie anschließend neu zusammenzusetzen. So entstanden neue, häufig sehr eigenwillige Formen.
Gamper sagt: „Ich habe versucht die Annahme, dass Unikate automatisch überlegen sind, zu hinterfragen. Mit der Hybrid-Technik wollte ich zeigen, wie schwierig es ist, ein Design objektiv als Das Beste zu beurteilen. Außerdem möchte ich, dass meine Stühle die geografische, historische und menschliche Seite von Design widerspiegeln—und zelebrieren. Was verraten sie uns über ihre Herkunft, über ihren soziologischen Kontext und sogar ihre ehemaligen Besitzer? Für mich sind die Geschichten hinter den Stühlen genauso wichtig wie ihr Stil und sogar ihre Funktion.“
100 Chairs in 100 Days wurde erstmals 2007 in London gezeigt und reist seitdem um die ganze Welt. Unter anderem wurde das Projekt 2015 im Marugame Genichiro-Inokuma Museum of Contemporary Art (MIMOCA) in Japan ausgestellt.
10) Cabbage Chair von Nendo (2008)
Oki Sato, der Mann hinter dem japanischen Studio Nendo, sieht Design als Möglichkeit, alltägliche Objekte und Räume in etwas zu verwandeln, das er als „Aha“ oder „!“ Momente bezeichnet. Der Cabbage Chair fängt diesen Hintergrund perfekt ein. Vom Modedesigner Issey Miyake in Auftrag gegeben, verwandelt der Cabbage Chair eine Rolle plissiertes Papier (ein ausrangiertes Nebenprodukt von Miyakes Modelinie Pleats Please) in ein überraschendes, neues Möbelstück. Während man die äußeren Lagen der aufgestellten Rolle wie die Häute einer Zwiebel ablöst, wird ein unglaublich charmantes Design enthüllt.
11) Stellar von Tokujin Yoshioka (2010)
Der japanische Designer Tokujin Yoshioka ist bekannt für seine beeindruckenden, emotionalen Installationen und Objekte. Großartiges Design, so der Designer, „rührt das menschliche Herz und geht über Sprache, Ethnizität und Landesgrenzen hinaus. Ich glaube es sind die Gefühle, die ein Design vervollständigen.“ Yoshiokas Stellar Kronleuchter, den er für den Swarovski Crystal Palace auf der 2010er Salone del Mobile in Mailand entwarf, erfüllt diese Kriterien fraglos. Der Leuchter aus „lebendigem Kristall“ —Yoshiokas Versuch, einen künstlichen Stern herzustellen— wurde in einem Tank mit einer Minerallösung gezüchtet. Yoshioka legte dafür einen Block aus weichen Polyesterfasern in ein Aquarium und im Laufe eines Monats entstanden allmählich natürliche Kristalle. Für Yoshioka ist es die ätherische, unberechenbare Beschaffenheit des Designs, die seine Schönheit ausmacht. Es entsteht “zufällig während des Bildungsprozesses der natürlichen Kristalle.“
12) Botanica von Formafantasma (2011)
2011 beauftragte die Plart Foundation —ein Institut, das sich der Erhaltung von Kunstwerken und Designs aus Kunststoff widmet— Andrea Trimarchi und Simone Farresin (das Designduo hinter Formafantasma) damit, eine retrospektive Studie zu der Geschichte von Kunststoff zu veröffentlichen. Daraus ging die Kollektion Botanica hervor, eine Hommage der Designer an das Material. Die in Italien geborenen und in Amsterdam ansässigen Designer entwarfen die Kollektion so, als hätte es unsere auf Erdöl angewiesene Zeit nie gegeben. Sie experimentierten mit Verfahren aus dem 18. und 19. Jahrhundert um natürliche Polymere herzustellen, die aus pflanzlichen und tierischen Quellen extrahiert wurden. Diese kombinierten sie anschließend mit traditionellen Materialien wie Holz, Metall und Keramik und schufen eine Serie aus Vasen, Schalen, Beleuchtung und Möbeln, deren Formen und Farben von der Natur inspiriert sind. Da sich die Welt “auf eine Ära nach dem Öl zu bewege” wird nach Aussage des Studios “die Zeit vor dem Öl auf der Suche nach Alternativen weltweit wiederentdeckt.”
Nachdem Botanica ursprünglich im Spazio Rossana Orlandi gezeigt wurde, ist es nun Teil der Dauerausstellungen von Institutionen wie dem MoMA und dem Art Institute of Chicago. Aufgrund ihrer Leidenschaft für Kunsthandwerk, arbeitet das Studio weiterhin mit historischen Techniken und spielt immer wieder mit ungewöhnlichen Materialien wie Brot, Meeresschwämmen, Lachshaut und Fell, um so wahrhaft lyrische Designs zu kreieren.
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