Karl Ludwig Mordstein (1937 Füssen – 2006 Wilszhofen), Erinnerung und Gegenwart, 1983. Farbradierung, Exemplar 41/50, 22,5 x 28 cm (Darstellung), 40 x 45 cm (Blattgröße), 43 x 48 cm (Rahmen), in Blei betitelt, nummeriert, monogrammiert und datiert. Hinter Glas gerahmt.
- in sehr gutem Erhaltungszustand
- Der fließende Raum der Erinnerung -
zum Kunstwerk
Auf einer angedeuteten Horizontlinie hat sich ein hundeartiges Tier auf die Hinterläufe erhoben und setzt zum Sprung an, um eine Art Hürde zu überwinden. Links daneben weht eine kleine Fahne im Wind. Das Tier und die Fahne weisen in Leserichtung nach vorne, in die Zukunft hinein. Die Fahnenstange biegt sich allerdings in die gegenteilige Richtung nach hinten und entspricht damit dem Bewegungsimpuls der zeichenhaften Gebilde am ‚Himmel‘. Auch bei diesem Werk Mordsteins ist der Titel aufschlussreich. Er lautet „Erinnerung u. Gegenwart“ und thematisiert das Zeichensystem über dem Tier als Erinnerung. Daher handelt es sich weniger um einen Himmel als um den Raum des erinnernden Bewusstseins. Die Erinnerung zieht in die Vergangenheit, kommt aber von der Zukunft her und beginnt dort, wohin sich das Tier erst bewegt. Mordstein entwickelt hier eine subtile Bildphilosophie über den Charakter der Zeit und die Struktur der Erinnerung, wobei das für den Bewusstseinsinhalt stehende Zeichensystem von der Bildsprache Plau Klees inspiriert ist, den Mordstein hier auf seine Art und Weise weiterdenkt.
zum Künstler
Karl Mordstein absolvierte die Werkkunstschule Augsburg und war zunächst in München als Gebrauchsgraphiker tätig, bevor er sich als freier Künstler ganz auf seine eigenen Schöpfungen konzentrierte. 1970 ehelichte Mordstein die Bildhauerin Sinen Thalheimer und das Künstlerpaar zog nach Starnberg. 1972 fand in München eine erste Einzelausstellung seiner Werke statt, die den Auftakt einer über Jahrzehnte währenden regen internationalen Ausstellungstätigkeit markierte. Ab 1987 lebte das Paar auf dem Hollerberg in Wilzhofen.
Es ist gewiss nicht falsch, in der Anmutung seiner ruhig schwebenden Farbzeichnungen den Ausdruck einer Geisteshaltung zu erkennen, die sich gerade dieser bewussten Abkehr vom hektischen Kunstmarktgeschehen verdankt: konzentrierte Gelassenheit. Nicht wechselnde Befindlichkeit, sondern die Einfühlung in überindividuelle Schöpfungsrhythmen, die immerwährende Genesis im natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen drückt sich darin aus.
- Stefan Tolksdorf
Auswahlbibliographie
Karl Mordstein. Aquarelle, Gouachen 1972 – 1975, Galerie Angst und Orny, München 1975.
Juliane Roh: Karl Mordstein. Bilder, Paintings 1976 – 79, Frankfurt a. M. 1979.
Siegfried Salzmann (Text): Karl Mordstein. Arbeiten auf Papier, Galerie Dorothea van der Koelen, Mainz 1982.
Galerie Heimeshoff (Hrsg.): Karl Mordstein. "Seelen-Notate"; Bilder, Arbeiten auf Papier, Bildkästen; 1985 – 1988, Essen 1988.
Stefan Tolksdorf (Text): Lebenszeichen. Mordstein, Karl und Sinen Thalheimer, Essen 2009.
ENGLISH VERSION
Karl Ludwig Mordstein (1937 Füssen - 2006 Wilszhofen), Memory and Present, 1983. Color etching, copy 41/50, 22.5 x 28 cm (image), 40 x 45 cm (sheet), 43 x 48 cm (frame), titled, numbered, monogrammed and dated with pencil. Framed behind glass.
- in very good condition
- The flowing space of memory -
About the artwork
On an implied horizon line, a dog-like animal has risen on its hind legs and is about to jump over some kind of hurdle. To the left, a small flag is waving in the wind. The animal and the flag point forward, toward the reader, into the future. The flagpole, however, bends backwards in the opposite direction, corresponding to the impulse of movement of the sign-like formations in the "sky". The title of this work by Mordstein is also revealing. It reads "Memory and Presence" and thematizes the system of signs above the animal as memory. It is therefore not so much a sky as the space of remembering consciousness. Memory moves into the past, but comes from the future and begins where the animal first moves. Here, Mordstein develops a subtle pictorial philosophy about the character of time and the structure of memory, in which the system of signs representing the content of consciousness is inspired by the pictorial language of Paul Klee, whom Mordstein continues to think about in his own way.
About the artist
After graduating from the Werkkunstschule in Augsburg, Karl Mordstein worked as a commercial artist in Munich before becoming a freelance artist and concentrating entirely on his own creations. In 1970 Mordstein married the sculptor Sinen Thalheimer and the artist couple moved to Starnberg. In 1972, Mordstein had his first solo exhibition in Munich, which marked the beginning of an active international exhibition career that lasted for decades. From 1987 the couple lived on the Hollerberg in Wilzhofen.
"It is certainly not wrong to recognize in the impression of his calmly floating color drawings the expression of a state of mind that owes itself precisely to this conscious turning away from the hectic art market: concentrated serenity. It is not a changing state of mind, but an empathy with the supra-individual rhythms of creation, the perpetual genesis in the natural cycle of becoming and passing, which is expressed in them."
- Stefan Tolksdorf
Selected Bibliography
Karl Mordstein. Aquarelle, Gouachen 1972 – 1975, Galerie Angst und Orny, München 1975.
Juliane Roh: Karl Mordstein. Bilder, Paintings 1976 – 79, Frankfurt a. M. 1979.
Siegfried Salzmann (Text): Karl Mordstein. Arbeiten auf Papier, Galerie Dorothea van der Koelen, Mainz 1982.
Galerie Heimeshoff (Hrsg.): Karl Mordstein. "Seelen-Notate"; Bilder, Arbeiten auf Papier, Bildkästen; 1985 – 1988, Essen 1988.
Stefan Tolksdorf (Text): Lebenszeichen. Mordstein, Karl und Sinen Thalheimer, Essen 2009.
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