875 Sessel von Ico Parisi für Cassina, 1960er

Das italienische Ehepaar und Team Ico und Luisa Parisi entwarf gemeinsam und Seite an Seite in ihrem Studio La Ruota in Como, Italien. Das Paar kreierte zusammen viele klassische Designstücke, die den modernen italienischen Stil der 1950er versinnbildlichen, wovon das vielleicht berühmteste der Modell 813 Uovo (Egg) Chair ist.

Der 1916 in Palermo geborene Architekt und Designer Domenico „Ico“ Parisi  wurde zwischen 1931 und 1935 in Como im Bauwesen ausgebildet. Im Jahr darauf arbeitete er im Büro des rationalistischen Architekten Giuseppe Terragni in Como, was den Anfang seiner beruflichen Laufbahn – welche sich in den 1930ern kurzzeitig dem Filmemachen zuwandte – markiert. Zu seiner ursprünglichen Neigung zum Design zurückkehrend, war Ico Gründungsmitglied von sowohl der Alta Quota als auch der Gruppo Como Architektengruppe.

1947 heiratete er seine Designkollegin Luisa Aiani, ein talentierter ehemaliger Schützling Gio Ponti. Als Mitglieder Alta Quotas gründete das Paar im April 1948 ihr Studio La Ruota in Como. Zwischen 1949 und 1952 studierte Parisi bei Alberto Sartoris Architektur am Institut Atheneum in Lausanne in der Schweiz. 1952 wurde er Mitglied des Kunstvereins in Mailand. 1956 wurde er Mitglied der Associazione per il Disegno Industriale (ADI).

Parisi konzipierte sowohl alleine als auch mit Luisa zahlreiche Inneneinrichtungen, Möbel (vor allem aus Holz und Metall), Glas, Schmuck und Architekturprojekte. Ihr Studio war eine Begegnungsstätte für Kollaborationen zwischen etablierten Künstlern und Designern der Zeit. Unter ihren Klienten waren Singer & Sons, Altamira , M.I.M. , Longhi und Cassina. Ico entwarf in Zusammenarbeit mit den Architekten Silvio Longhi und Luigi Antonietti den Wohnzimmer-Pavillon (Padiglione per il Soggiorno) für die zehnte Mailänder Triennale. Der Form eines Zirkuszeltes ähnlich formten die verstärkten Beton und Glaswände ein spiralförmiges Wohnzimmer. Parisi und sein Team verwandelten den Raum in einen großen Gemeinschaftsraum mit einer Bibliothek und einer Bar.

Das angesehene Domus Magazin berichtete über sie. Die Parisis waren bekannt für ihre organischen Designs und Inneneinrichtungen, besonders für Icos Egg Chair oder Modell 813 (ca. 1954), welcher von Cassina hergestellt wurde (und in dem Wohnzimmer-Pavillon auf der Triennale ausgestellt wurde). Der befreundete Gio Ponti schrieb diese berühmten Zeilen an Parisi: „Mein Lieber, dein Egg Chair ist ein Wunderwerk. Du bist ein Meister und mir bleibt nichts anderes übrig als in Rente zu gehen und in Civante [in der Nähe von Como] in Vergessenheit zu leben.“ Die Zusammenarbeit des Duos mit Cassina war eine fruchtvolle und brachte viele andere berühmte Designs wie den Modell 691 Stuhl (1955) und den Modell 839 Sessel hervor, welche 1955 beide für den Compasso d’Oro Preis nominiert waren.

Luisa Parisi verstarb 1990, Ico sechs Jahre später in Como.

Der italienische Möbelhersteller Cassina, ursprünglich Amedeo Cassina, wurde 1927 von den Brüdern Cesare (1909 - 1979) und Umberto (1910 - 1992) Cassina in Meda, Italien gegründet. Obwohl die Firma sich ursprünglich maßgefertigten Holzarbeiten und Luxuseinrichtungen widmete, schlugen die Brüder in den 50er Jahren in der Erwartung erhöhter Nachfragen für massenproduzierte Wohnmöbel eine andere Richtung mit der Firma ein. Cassina wird oft die Einführung von Industriedesign nach Italien zugeschrieben und genießt  durch die Zusammenarbeit mit einigen der renommiertesten Designern internationales Ansehen.

Bemerkenswerterweise hat Cassina im Jahr 1964, als der beliebte Architekt Le Corbusier noch am Leben war, die erste exklusive Lizenzvereinbarung unterschrieben, die die Bearbeitungsrechte für Entwürfe von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand schützte. Kurz darauf startete die Firma die I Maestri Collection, die über Jahrzehnte hinweg bedeutende Kultstücke unter dem Namen Cassinas hervorbrachte. Dazu gehören zum Beispiel die LC4 Lounge von 1928, die gemeinsam von Le Corbusier, Jeanneret und Perriand entworfen wurde und der 635 Red & Blue Armchair (1918) vom niederländischen Architekten Gerrit Rietveld; außerdem der vom schottischen Architekten und Designer Charles Rennie Mackintosh entworfene Hill House Chair 1902 und viele, viele andere.

Mit mehr Gewichtung auf der Zusammenarbeit mit den besten Designern als darauf, einen bestimmten Stil beizubehalten, hat Cassina einige der angesehensten und beliebtesten Designs des 20. und 21. Jahrhunderts geschaffen. Zu den Highlights gehören der Superleggera Chair (1957) des italienischen Architekten und Designer Gio Ponti, der Kanu Chair von 2009 des deutschen Designers Konstantin Grcic, das Zephyr Sofa aus dem Jahre 2013 vom iranisch-englischen Architekten Zaha Hadid und das vom französischen Designer Phillipe Starck stammende My World Sofa, ebenfallsvon 2013. Trotz all der mit Blick nach vorne gerichteten Kollaborationen mit sowohl Designkoryphäen als auch Neulingen, blieb Cassina immer den italienischen Idealen von Handwerkskunst und Qualität treu. Die Marke zeichnet sich weiterhin durch ihr Talent, industrielle Technologien mit kunstvoller Produktion zu verbinden, aus.

Die Entwürfe Cassinas sind Teil weltweiter Dauerausstellungen, wie zum Beispiel im New Yorker Museum of Modern Art, im Vitra Design Museum in Weil am Rhein und im Londoner Design Museum.

Heute ist Cassina Teil der angesehenen Poltrona-Frau-Gruppe.