Das Mailänder Studiopepe schafft zeitlose Klassiker


In der Ruhe liegt die Kraft

Von Wava Carpenter

Seit 2010 dreht sich im Design alles um Farbe und um Gegensätze. Ruhige und sonderbare Kombinationen dynamischer Formen ersetzen aufeinander Abgestimmtes und erstrahlen in der neuen Farbpalette satter Töne. Grelles Blau trifft auf ein zartes Rosa, Meeresgrün auf Safrangelb. Dieses neue Phänomen lässt sich in Designstudios weltweit beobachten, von New York bis Melbourne. Aber keiner hat diese neue Praxis bislang so gut gemeistert wie Studiopepe.

Studiopepe wurde 2006 von Arianna Lelli Mami und Chiara Di Pinto gegründet. Die beiden lernten sich während ihres Studiums an der Politecnico di Milano kennen. Nach einer schicksalshaften Begegnung in Mexiko, wo sich beide im Urlaub trafen, entschlossen sie sich fortan zusammenzuarbeiten. Seitdem arbeiteten sie gemeinsam an Projekten und erhielten schon bald regelmäßige Aufträge für Shootings für große Design und Lifestyle Publikationen.

„Unser erster gemeinsamer Auftrag stammte von Case da Abitare, eine wunderschöne Zeitschrift, die es heute leider nicht mehr gibt“, erinnert sich Di Pinto. „Das Shooting beinhaltete ikonografische Abbildungen und drehte sich um den Surrealismus und um Kokolores. Unser Entwurf schaffte es schließlich auf das Cover - gar nicht so schlecht für zwei Anfänger wie uns!“ Von Anfang an zog Studiopepe Kunden an, darunter unter anderem auch das New York Times T Magazine. Grund dafür waren ihre mutigen Farbkombinationen und Stillleben-ähnliche Zusammenstellungen auffälliger und faszinierender Kuriositäten.

Zehn Jahre später umfasst die Arbeit von Studiopepe weit mehr als nur Setdesign für Publikationen. Heute befassen sich Lelli Mami und Di Pinto mit zahlreichen Aufträgen, darunter Innenraumgestaltung, Styling, Beratung, Trendprognostik, Ausstellungen und Kataloge sowie Produktdesign für internationale Unternehmen. Sie kümmern sich auch um ihre eigenen selbst hergestellten, konzeptionellen Objekte. Egal, um welches Projekt es sich handelt, das Ergebnis zeigt immer ihren bemerkenswerten und selbstsicheren Standpunkt. Dazu muss man sich nur bei den Unternehmen Elle Décor, Agape, &Tradition, Fritz Hansen, Max&Co. und Fendi erkundigen, die Studiopepe kürzlich angeheuert haben.

Auch wenn ihre Zusammenarbeit Dank eines Zufalls zustande kam, sind ihre Designs aber keinesfalls Zufallsprodukte, sondern das Ergebnis kalkulierter Entwürfe, die auf ständiger Forschung und Überlegung beruhen. „Wir haben viel Zeit damit verbracht mit neuen Kombinationen von Farben, Formen und Materialien zu experimentieren, um zu einer neuen Ästhetik zu gelangen“, erklärt uns Lelli Mami. „Wir beginnen mit einer Vision, die nicht nur auf Stil ausgerichtet ist, sondern auf unsere Herkunft oder auf eine bestimmte Stimmung, die wir dann in verschiedene Kontexte umwandeln. Im Grunde sind wir immer Geschichtenerzähler. Und wenn man eine Geschichte erzählt, muss jedes Detail beachtet werden und eben nicht nur die Kernhandlung!“

„Eklektizismus und Neugierde sind wichtige Ansatzpunkte für uns“, fügt Di Pinot hinzu. „Ästhetik allein ist aber nicht unser Ziel. Die äußere Form muss dem Inneren entspringen, muss das Ergebnis einer inneren Vision sein. Immer! Sonst wird der Entwurf nicht lange bestehen.”

Das üppige Werk von Studiopepe entspringt dem Augenblick und behauptet sich dennoch als Mischung aus zeitgemäßem und klassischem, kunstvollem und reduziertem Design. Lelli Mamis und Di Pintos Entwürfe strahlen zeitlose Eleganz aus. Sie schmücken Interieurs, Ausstellungsflächen und Publikationen und bestechen durch ihr ausschließlich qualitativ hochwertiges Material. Jede stimmungsvoll angestrahlte Inszenierung könnte den Händen eines altmeisterlichen Malers entstanden sein, wie vielleicht Caravaggio oder Morandi.

Auch die Objekte von Studiopepe zeugen von der Ruhe und der Kraft, die von einem gemalten Stillleben ausgehen. Ossimori beispielsweise, Studiopepes erste Kollektion einzigartiger skulpturaler Arbeiten, besteht aus Objekten zerlegter geometrischer Körper aus sinnlichen Materialien wie Kalkstein, Kupfer, Marmor und Travertin. Sie werden „als Artifakte begriffen, die aus der Zukunft stammen“, so Lelli Mami. Die Kollektion wurde kürzlich in der Ausstellung W. Women in Italian Design im Triennale Design Museum in Mailand und im Chamber in New York gezeigt.

In ihren Designs bevorzugen Studiopepe Gestaltungselemente, die dem Neoklassizismus und dem Design-Vermächtnis Italiens entspringen. Lelli Mami und Di Pinto geben als Inspirationsquelle alte Konzepte an, wie den „Goldenen Schnitt“ oder „archetypische Formen“. Außerdem führen sie auch viele große Designer des italienischen Modernismus auf. „Wir hegen im Grunde einen internationalen Ansatz, aber unsere Wurzeln sind zutiefst italienisch“, meint Di Pinot. „Wenn es um die angewandte Kunst geht, sind wir davon überzegt, dass italianità für freies Denken und für freie Formen steht. Seit den 1950er Jahren haben italienische Designer einen Ideenreichtum erschaffen, der weltweit nicht übertroffen wurde. Da muss man nur an Gio Ponti, Joe Colombo, Fornasetti und Luigi Caccia Dominioni denken… all diese großen Meister beeinflussen unsere Arbeiten.“

Gutes Design—ob von Meisterhand oder anonym hergestellt—passt zu allem.

Studiopepe ist darum bemüht zeitloses Design zu kreieren, das aus einer Zusammenführung von Vergangenheit und Gegenwart besteht. Dazu suchen sie die jeweils das qualitativ Beste von heute und damals aus. Sie haben ein Gespür für den Puls der Zeit. „Wir lieben es, wertvolles Material zu verwenden, das mit der Zeit an Schönheit gewinnt, denn wir glauben, Designprodukte müssen eine halbe Ewigkeit halten“, sagt Di Pinto. „Ein billiges Material kann aber ebenso gehandhabt werden, wie ein kostbares, wenn es denn von Bedeutung ist. Für uns ist es vor allem wichtig, dass jedes Element originell und ehrlich ist.“

Lelli Mami fügt hinzu: “Wie ein weißes T-Shirt, dass man jederzeit tragen kann, auch, um im Supermarkt einkaufen zu gehen. So ist es auch im Design. Gutes Design, ob von Meisterhand oder anonym hergestellt, passt zu allem. Wir schätzen das Wechselspiel von Einfachheit und Finesse. Samt mit rauem Leinen, oder Lack mit Altholz. Wie auch in der Modebranche, wenn kreative Leute Vintage mit Haute couture tragen, Levi's mit Chanel. Wir lieben diesen Ansatz.“

In unserer heutigen Welt des Wandels und der Unsicherheiten gibt es nichts, das mehr zeitgenössisch ist, mehr chic, als die Zeitlosigkeit.

 

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    • Wava Carpenter

      Wava Carpenter

      Seit ihrem Studium in Designgeschichte an der Parsons School of Design hatte Wava schon in vielen Bereichen der Designkultur den Hut auf: sie lehrte Designwissenschaft, kuratierte Ausstellungen, überwachte Auftragsarbeiten, organisierte Vorträge, schrieb Artikel und erledigte alle möglichen Aufgaben bei Design Miami. Wava lässt den Hut aber im Büro – auf der Straße bevorzugt sie ihre Sonnenbrille.

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