Zu Gast bei den Ladd-Brüdern


Familiensache

Von Anna Carnick

Die Künstler und Brüder Steven und William Ladd sind wohl vor allem für ihre „Landschaften“ bekannt: komplexe, handgefertigte Arbeiten, die von ihren gemeinsamen Kindheitserinnerungen inspiriert sind. Die arbeitsintensiven Assemblagen aus Upcycling-Materialien werden gerahmt und in Rastern aufgehängt oder in gestapelten Kisten platziert, die anschließend in rituellen Inszenierungen geöffnet werden. Wir hatten kürzlich das Vergnügen, an einem sonnigen New Yorker Nachmittag das Studio der beiden in Chelsea besuchen zu dürfen. Dort zeigt sich, dass die Brüder außerdem unglaublich herzlich sind; zur Begrüßung bevorzugen sie eine Umarmung statt einem Händedruck und ihre E-Mails beenden sie mit den Worten „Love love.“ Die hohen Wände ihres Studios sind bedeckt mit Materialien, die sie über die Jahre gesammelt haben—Textilien, Perlen, Fundstücke und mehr—sowie eine große Tafel auf der einen Seite, auf der (über einer langen To-Do-Liste) die zentralen Werte der beiden stehen: „Verbringe dein Leben mit dem, was du liebst. Sei konzentriert und diszipliniert“ und „Kollaboriere.“

DieLadds haben einen besonders aufregenden Herbst. Sie gehören jetzt zur Liste von  Cristina Grajales renommierter Galerie und hatten ihre erste Ausstellung im September in Grajales neuen Räumlichkeiten im Flower District, wo sie Arbeiten zeigten, die von ihren gemeinsamen Kindheitsspielen inspiriert wurden. Außerdem haben sie gerade eine Ausstellung im Saint Louis Art Museum eröffnet. Diese Ausstellung mit dem Titel Currents 111: Steven and William Ladd: Scouts or Sports? ist eine Art Heimkehr, die neue Arbeiten enthält, welche die Kindheit der Ladds reflektieren, die sie am Stadtrand von St. Louis als zwei von vier Kindern einer eng verbundenen katholischen Familie verbrachten. Der Name der Ausstellung basiert auf einer Erinnerung aus Schulzeiten, als ihre Mutter alle Ladd-Kinder aufforderte, eine von zwei außerschulischen Aktivitäten zu wählen (alle vier entschieden sich für Sport). Die ausgestellten Stücke bilden den Einfluss ab, den diese Aktivitäten auf sie als Kinder hatten. In New York verraten uns die Ladds, dass die Ausstellung auf mehreren Ebenen für sie von Beduetung ist: „Die SLAM Ausstellung zelebriert unsere Familie und ist ein Beleg für den Ratschlag, den unsere Eltern uns als Kinder gegeben haben—dass wir sein können wer wir wollen und dies durch harte Arbeit und Engagement erreichen werden. Wir hoffen, dass Kinder, die so wie wir in St. Louis aufwachsen, unsere Arbeiten sehen und verstehen, dass auch sie ihr Leben damit verbringen können, das zu tun, was sie lieben.“

William Ladd at a recent Scrollathon event Photo courtesy of the Ladds
Und das ist noch nicht alles, was die Ladds zur Zeit machen. Abgestimmt auf die Ausstellung in St. Louis, arbeiten die Brüder an einer weiteren Scrollathon® Veranstaltung, der letzten einer seit 2006 stattfindenden Reihe, in der die Ladds mit Mitgliedern der lokalen Gemeinschaften zusammenarbeiten—ursprünglich mit Schulkindern, inzwischen mit einer größeren Bandbreite an Teilnehmern—um eng gewickelte Rollen aus recyceltem Stoff zu kreieren, die dann Teil größerer Arbeiten werden (wie beispielsweise die charakteristischen Landschaften der Ladds) und öffentlich ausgestellt werden. Die Teilnehmer arbeiten zusammen und setzen sich mit Kunst auseinander. Die Belohnung für ihre Arbeit ist ein kreatives Ventil, ein Gefühl von persönlicher Erfüllung darin, auf ein größeres Ziel hinzuarbeiten und die Freude, die Teamwork mit sich bringt.

Die Ladds sagen: „Ursprünglich war die Herstellung dieser Rollen ein Weg für uns, um überschüssige Materialien in unserem Studio zu verwenden, für Upcycling und um Abfälle zu reduzieren. Dieses Konzept und die Tatsache, dass es sehr einfach ist, so eine Rolle zu machen, war der ideale Anlass, um mit anderen zusammenzuarbeiten und dabei unsere zentralen Werte zu leben und zu teilen.“ Sie fahren fort: „Wir finden gewöhnliche Menschen unglaublich inspirierend, weswegen der Scrollathon zu einer Möglichkeit geworden ist, um mit sehr unterschiedlichen Gemeinschaften zu interagieren—von Schulkindern und ihren Familien bis hin zu Gruppen mit besonderen Bedürfnissen, Krankenhauspatienten und Insassen von Justizvollzugsanstalten. Das Programm ist entscheidend für ihren Erfolg, da die Herstellung eines einfachen Kunstobjektes sie dazu auffordert, zu erkennen, welche Dinge wichtig sind in ihrem Leben während sie gleichzeitig etwas zu einem gemeinschaftlichen Projekt beisteuern.

Auf die Frage, was sie sich für die Zukunft des Scrollathon-Projektes erhoffen, antworten die Ladds: „Wir hoffen, dass wir damit fortfahren werden, eine Verbindung zu benachteiligten Gemeinschaften aufzubauen und sie dazu inspirieren, ihre Werte zu erkennen und nach ihnen zu leben. Hoffentlich werden wir immer wieder neue Wege finden, mit Gemeinschaften in Kontakt zu kommen, um Werte aufzubauen und ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen zu lassen.”

 
  • Text von

    • Anna Carnick

      Anna Carnick

      Als ehemalige Redakteurin bei Assouline, der Aperture Foundation, Graphis und Clear feiert Anna die großen Künstler. Ihre Artikel erschienen in mehreren angesehenen Kunst- und Kulturpublikationen und sie hat mehr als 20 Bücher herausgegeben. Sie ist die Autorin von Design Voices und Nendo: 10/10 und hat eine Leidenschaft für ein gutes Picknick.
  • Übersetzung von

    • Annika Hüttmann

      Annika Hüttmann

      Annika ist umgeben von skandinavischem Design zwischen Norddeutschland und Südschweden aufgewachsen. Für ihr Literaturstudium zog sie nach Berlin und entdeckte dort ihre Leidenschaft für deutsche Vasen aus den 1950ern-70ern, von denen sie inzwischen mehr als 70 Stück besitzt.

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